Antike Justiz neu belebt

Am 16.10.2012 verwandelten Studierende des IGES das Campus Theater ins römische Forum und erhoben Anklage gegen L. Valerius Flaccus. Sein Prozess aus dem Jahr 59 v. Chr. wurde wieder aufgerollt und niemand anderes als der berühmte Redner Cicero übernahm noch einmal die Verteidigung.

Ciceros rhetorische Meisterschaft ist zwar auch nach über 2000 Jahren unbestritten, jedoch denken viele bei seinem Namen überwiegend an lange Stunden mit lateinischer Grammatik. Dies wird seinem Schaffen aber nicht gerecht, denn die Reden entfalten ihre Wirkung erst im Vortrag und in Auseinandersetzung mit Gegenreden und nicht zuletzt auch im Wechselspiel mit Zuhörern.

Diesem Gedanken folgend, bot der Lehrstuhl für Alte Geschichte des Instituts für Geschichte mit finanzieller Unterstützung des FASRA der FHW, die Neuverhandlung eines römischen Strafprozesses an. Die Offerte Cicero in Aktion zu sehen, füllte das Campustheater mit Studierenden, Lehrenden und Interessierten bis auf den letzten Platz. Auf der Anklagebank saß Flaccus, ein Mann aus bester römischer Familie und mit bis dato makelloser Karriere. Gegen diesen wurde wegen des crimen repetundarum prozessiert, d.h. aufgrund des Vorwurfs, sich bei seiner Provinzverwaltung unter Missbrauch der ihm vom römischen Volk verliehenen Amtsgewalt bereichert zu haben.

Überliefert ist zu diesem Prozess allein die Rede Ciceros, so dass zur Vorbereitung der Aufführung zunächst die einzelnen Anklagepunkte ermittelt werden mussten. Anhand derer erstellten die Studierenden zwei Reden für die Anklage, sowie gekürzte Verteidigungsreden, denn Ciceros lateinischer Text dauert im Vortrag etwa zweieinhalb Stunden.

Das ursprüngliche Verfahren in Rom nahm einige Tage in Anspruch, an denen zunächst mehrere Redner der Anklage sprachen, dann mehrere der Verteidigung, anschließend fand das Zeugenverhör statt und es folgten nochmal mehrstündige Reden beider Seiten. Auch wenn das im P7 aufgeführte Verfahren auf eine zuschauerfreundliche Dauer von 60 Minuten reduziert wurde, entsprach das gezeigte Prozedere dem eines antiken römischen Strafverfahrens. Die Akteure trugen, in Togen gekleidet, ihre Reden vor und das Publikum schaltete sich - ganz wie in der Antike - mit Zwischenrufen und Bekundungen der Ab- und Zuneigung ein. Glücklicherweise hatte Prof. M. Dreher den Gerichtsvorsitz übernommen, so dass die Ordnung gewahrt blieb. Am Ende urteilten 31 aus dem Zuhörerkreis bestimmte Geschworene über die Schuld des Angeklagten: Cicero hatte sie nicht von Flaccus’ Unschuld überzeugen können. Die Worte der Anklägerin „Dies ist der Tag, an dem Cicero beinahe gewinnen wird …“ sollten sich als prophetisch erweisen, denn es endete 12:19 gegen Flaccus.

 

Bericht: Kirsten Jahn

Fotos: Sara Toschke

 

Letzte Änderung: 24.10.2018 - Ansprechpartner: Martin Dreher