Exkursionsbericht - Von 'Langemarck' bis 'Stalingrad'

18.04.2013 -  

Magdeburger Geschichtsstudenten fahren am 18. April 2013 ins Militärhistorische Museum Dresden.

In den Jahren 2013 und 2014 häufen sich Daten, an denen man sich an die Weltkriege des 20. Jahrhunderts erinnert. Auch am IGES beschäftigen sich momentan drei Lehrveranstaltungen mit der Geschichte und Erinnerungskultur Deutschlands und Europas im „Zeitalter der Extreme“.

Grund genug, ins inzwischen bekannte Militärhistorische Museum (MHM) nach Dresden zu fahren. Dort werden die Studierenden neben der Dauerausstellung die Abteilung zum „Ersten Weltkrieg“ sowie die Sonderausstellung „Stalingrad“ genauer in Augenschein nehmen. Dazu kommen Gespräche mit den Ausstellungsmachern und Museumspädagogen über der Frage, wie man Krieg und Gewalt museal aufbereitet, museumspädagogisch weiter erschließt und damit das Interesse der Öffentlichkeit an solch sperrigen Themen weckt.

 

Exkursionsbericht

Visualisierte Gewalt und ausgestellter Krieg

Ein Besuch im Militärhistorischen Museum Dresden

 

Der einzige Wermutstropfen war wohl das frühe Aufstehen, als sich am 18. April etwa 25 Studenten und einige Dozenten vom IGES aufmachten, das Militärhistorische Museum (MHM) in Dresden zu besuchen. Der Weg aber lohnte sich.

Anlass der Exkursion war die Tatsache, dass ich momentan drei Seminare am Lehrstuhl Geschichte der Neuzeit II mit dem Thema „Krieg“ beschäftigen. In dem einen sind Mythos und Realität der Schlacht von Stalingrad 1943 der Gegenstand (Prof. Dr. Silke Satjukow), das andere versucht projektseminaristisch den Kern einer geplanten Wanderausstellung zu regionalen Aspekten der Geschichte des Ersten Weltkriegs zu erstellen (Dr. Monika Gibas, Dr. Justus H. Ulbricht). Und schließlich entsteht für 2014 eine kleine Ausstellung zum Schicksal jüdischer Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs aus Magdeburg (Dr. Monika Gibas, Kooperation mit dem Kulturhistorischen Museum Magdeburg).

In Dresden wollte man sich dazu Anregungen holen und zudem genau betrachten, wie ein Museum, dessen Dienstherr die Bundeswehr ist, sich den schwierigen Themen „Krieg“ und „Gewalt“ annähert. Das Museum und dessen Mitarbeiter boten dazu Führungen an und standen zur Diskussion kritischer Nachfragen bereit.

Schnell stellte sich heraus, dass ein Tag im MHM eigentlich zu wenig ist. Die Fülle der Exponate ist gewaltig (manchmal auch verwirrend), die Inszenierungen anspruchsvoll und die Wege ins Thema verschlungen - was durchaus beabsichtigt ist.

Am gelungensten war wohl die Führung durch die Sonderausstellung „Stalingrad“, die deren Kurator Wehner selbst mit hohem Engagement durchführte. Als eher enttäuschend hingegen schätzen die meisten Teilnehmer der Fahrt eine erste einführende Runde durch die Dauerausstellung ein. Man gewann zwar einen groben Überblick über das gesamte Thema und das Design der Exposition, doch hatten die StudentInnen präzisere Informationen zur Intention der Ausstellung erwartet - wie dies ursprünglich auch in der Vorbereitung zur Exkursion abgesprochen gewesen war.

Die einstündige Spezialführung zum Thema „Erster Weltkrieg“ blieb ebenfalls hinter den Erwartungen der Teilnehmer zurück, zumal diese mit den wichtigsten Fakten zur Geschichte der „Urkatastrophe“ längst vertraut waren. Der kritische Blick der StudentInnen offenbarte zudem ein Manko der Dresdner Ausstellung insgesamt. Zahlreiche Objekttexte sind schwer lesbar, weil sie am „falschen“ Ort angebracht wurden und oftmals schlecht beleuchtet sind. Andererseits gelingt es dem Arrangement der Objekte und Informationen, den Ersten und Zweiten Weltkrieg in möglichst vielen Facetten deutlich werden zu lassen. Hilfreich und anregend fanden die StudentInnen den „Kunstgriff“ der Ausstellungsmacher, die Themenfelder von jeweils zwei konträren Biographien zusätzlich zu beleuchten.

Höchst aufschlussreich war eine weitere Führung durch einen Museumspädagogen, der ursprünglich in der Restauratoren-Werkstatt des alten „Armeemuseums“ gearbeitet hat. An einem sprechenden Objekt - einem Stahlhelm des Ersten Weltkrieges - konnte er den StudentInnen vermitteln, wie man Objekte im Museum „anschauen“ muss, damit diese „sprechen“ - welche Rolle also Materialität, Erhaltungszustand und konservatorische Eingriffe bei der Genese historischer Bedeutungen spielen.

Im Abschlussgespräch mit dem wissenschaftlichen Direktor des MHM, Gorch Pieken, kam Manches zur Sprache, was den Besuchern aus Magdeburg aufgefallen war. Ob trotz aller aufklärerischer Intentionen der Ausstellungsmacher und Museumspädagogen „zu viel Bundeswehr“ im Konzept der Exposition zu spüren sei, war eine der kritischen Fragen. Auch schien manchen, dass die schreckliche Seite kriegerischer Gewalt allzu versteckt sei und man die Opferperspektive hätte deutlicher machen können.

Einhellig gelobt und anerkannt jedoch wurde die Multiperspektivität des Angebots, die Fülle sprechender Exponate, das Arrangement zahlreicher (manchmal zu vieler) Objekte und die intellektuell reizvolle Spannung zwischen chronologischer und thematischer Aufbereitung des Dauer-Ausstellungsthemas „Krieg“ und „Gewalt“. Piekens Antworten offenbarten deutlich, wie kontrovers im MHM selbst die eigenen inhaltlichen und inszenatorischen Akzente debattiert wurden und werden.

So offenbarte sich das Militärhistorische Museum als offener Ort streitbarer Diskussionen und als Versuch, im „Dialog“ zwischen Besuchern, Museumspädagogen und Objekten den Zusammenhang zwischen Krieg und Gewalt, Politik-, Mentalitäts- und Gesellschaftsgeschichte zu erhellen. Wenn auch der zeitliche Bogen der Präsentation im Mittelalter ansetzt und in der jüngsten Gegenwart endet - die Reaktionen der Magdeburger Gruppe auf das Museum und dessen Angebot zeigten, wie prägend für uns alle die Erfahrungen mit und das Wissen um das „Zeitalter der Extreme“, als0 die Ereignisse des 20. Jahrhunderts, sind.

Krieg und Gewalt sind nicht allein existentielle Herausforderungen für den Menschen, sondern ebenso ethisch-moralische. Das erklärt wohl auch die Emphase der Ausstellungsmacher wie der Besucher, mit der über das museale Angebot des MHM diskutiert wurde.

Also: Früh aufstehen lohnt sich manchmal doch….

 

Dr. Justus H. Ulbricht, unter Nutzung studentischer Einschätzungen.

Letzte Änderung: 15.06.2014 - Ansprechpartner: Webmaster