III Forschungstendenzen des Fachgebiets
Viele antike Historiker (z.B. Thukydides, Polybios, Livius) waren vorrangig an der politischen und militärischen Machtentfaltung bedeutender Staaten interessiert. Auf ihren Spuren hat die Geschichtsschreibung der Neuzeit, die dieses Interesse teilte, die Alte Geschichte zu Beginn meist als eine Geschichte von Kriegen und von großen Einzelpersönlichkeiten geschrieben. Im Lauf des 20. Jahrhunderts hat sich diese Perspektive grundsätzlich geändert. Im Gleichklang mit den anderen historischen Fachgebieten hat sich die Alte Geschichte wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Themen zugewandt, hat sich mit religions- und rechtsgeschichtlichen Aspekten befaßt und hat sich in jüngerer Zeit an der Etablierung der Alltags-, Mentalitäts-, Kultur- und Geschlechtergeschichte beteiligt (s. dazu genauer beim Fachgebiet Geschichte der Neuzeit/Neuere Geschichte).
Eine wichtige Voraussetzung für diese Entwicklung war die Erschließung und Heranziehung der Quellengattungen jenseits der literarischen Texte. So erlaubt z.B. die Publikation zahlreicher Papyri, die sich im trockenen Wüstensand erhalten haben, einen einmaligen Einblick in die rechtlichen Geschäfte und in das Alltagsleben im hellenistischen und römischen Ägypten. Die Inschriften erschließen eine Fülle von Informationen über regionale, lokale und persönliche Verhältnisse. Diese Quellengattungen wachsen, ebenso wie die Münzen und die archäologischen Zeugnisse, ständig weiter an, der Bestand an antiken Quellen ist keineswegs gleichbleibend, sondern steigt durch die archäologischen Ausgrabungen jedes Jahr um abertausende von Zeugnissen an, in deren Licht Forschungsergebnisse aktualisiert werden müssen. Aber auch an die traditionellen Textbestände stellt jede Gesellschaft und jede Generation neue Fragen und will die Vergangenheit aus der jeweiligen Perspektive interpretieren.
Die Seminare des Fachgebiets ermöglichen eine vertiefte Auseinandersetzung mit den antiken Quellen und mit den Herangehensweisen und Tendenzen der modernen Forschung.