Repertorium der deutschen Königspfalzen: Band Sachsen-Anhalt
Repertorium der deutschen Königspfalzen
Band Sachsen-Anhalt
Förderung durch das Land Sachsen-Anhalt
Ein gewichtiger Teil des historisch-kulturellen Erbes des heutigen Bundeslandes Sachsen-Anhalt ist im 10. Jahrhundert entstanden, als die Könige aus der Familie der Ottonen hier ihren Herrschaftsmittelpunkt hatten. An zahlreichen Orten kam es zur Einrichtung von Pfalzen, wo sich die Könige, die ihre Herrschaft in Form des Reisekönigtums ausübten, überwiegend aufhielten.
Die herausragende Bedeutung dieses Raums für die mittelalterliche Königsherrschaft steht bislang in diametralem Gegensatz zum Stand seiner wissenschaftlichen Erforschung. Der Band Sachsen-Anhalt fehlt im Repertorium der deutschen Königspfalzen bis heute!
Das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung Sachsen-Anhalt hat mit Förderbescheid vom 20. April 2020 nun die Voraussetzungen dafür geschaffen, den Forschungsstand für Sachsen-Anhalt durch interdisziplinäre wissenschaftliche Grundlagenarbeit demjenigen anderer Bundesländer anzupassen und mit der Arbeit an den einzelnen Ortsartikeln zu beginnen und so in längerer Perspektive den entsprechenden Band des vom Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte (Frankfurt am Main) herausgegebenen Repertoriums zu verfassen. In der ersten Antragsphase werden 2,5 wissenschaftliche Mitarbeiterstellen sowie Sachkosten finanziert.
Für Sachsen-Anhalt stehen 37 Orte zur Bearbeitung an. Hinzu kommen zehn weitere, bei denen noch zu überprüfen ist, ob sich die bisherige Annahme der Forschung, auch dort hätten sich die Könige aufgehalten, bestätigt werden kann. Zwei weitere Orte – Allstedt und Tilleda – zählen zum heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt, sie wurden aber – aufgrund einer bereits in den 1960er Jahren festgelegten Gesamtkonzeption des Vorhabens – schon im Band Thüringen des Repertoriums bearbeitet.
Entwurf: Alena Reeb / Kartografie: Pierre Fütterer
Einstige Beschaffenheit und heutiger Erhaltungszustand der Pfalzen in Sachsen-Anhalt sind heterogen. Neben großen, mitunter stark befestigten und durch eine entsprechende bauliche Ausstattung repräsentativen Charakter besitzenden Anlagen wie einstmals Derenburg, Bodfeld und Tilleda, stehen Aufenthaltsorte, die – ablesbar an den dort getätigten Regierungshandlungen – im Mittelalter große Bedeutung besaßen, deren Lage und Aussehen heute aber großenteils unbekannt, verloren gegangen oder in späteren Nutzungen aufgegangen sind wie in Wallhausen, Siptenfelde, Ilsenburg, Allstedt oder Memleben. Eigens für den König geschaffene und in seinem Besitz befindliche Orte stehen neben Bischofssitzen und Stiften (Halberstadt, Quedlinburg, Gernrode), deren geistliche Vorsteher(innen) den König und seinen Hof beherbergten.
Dieses mannigfaltige Spektrum und die wechselvolle Geschichte der Pfalzen sichtbar werden zu lassen und dadurch ein komparatives Arbeiten zu ermöglichen, ist ein wesentliches Ziel des Projekts. Hierbei ergeben sich große methodischen Herausforderungen, die durch eine intensive und interdisziplinäre Grundlagenarbeit bewältigt werden sollen. Der interdisziplinäre Ansatz zeigt sich an der engen Zusammenarbeit von Historikern, Archäologen, Kunsthistorikern, Sprach- und Siedlungsforschern. Für den Sachsen-Anhalt-Band ist überdies die Einbeziehung ehrenamtlich tätiger Bodendenkmalpfleger geplant, da diese speziell vor Ort über bisweilen exzellente Kenntnisse verfügen. Die sich stellenden Aufgaben reichen von der Lokalisierung der Aufenthaltsorte und deren topographischer Beschreibung über die Sammlung (Heuristik) der verfügbaren Quellen bis zu deren Interpretation und der anschließenden Verschriftlichung und Bereitstellung des Materials in schriftlicher Form und digital mittels einer online verfügbaren (Geo-)Datenbank. Der Abschluss des Langzeitvorhabens ist für 2029 geplant.
Der Benutzer des Repertoriums erhält künftig Zugriff auf die dann in vollständiger Übersicht gesammelten erzählenden, normativen, archäologischen, kunsthistorischen und sprachgeschichtlichen Quellen zur Geschichte des jeweiligen Ortes. Er wird – unter anderem durch die Visualisierung in Form von Karten – eingeführt in dessen Topographie, in die Baugeschichte, die Ausstattung der Gebäude etc., wodurch die Bedeutung des Pfalzortes innerhalb seiner Region sichtbar wird. Über den wissenschaftlichen Ertrag für die Geschichte des mittelalterlichen Reichs, des Königtums und seines Reisewegs hinaus, wird damit ein wesentlicher außerwissenschaftlicher Beitrag zur Bestimmung und Bewahrung der Identität Sachsen-Anhalts und seiner Bewohner geleistet.
Federführend bei der Erstellung des Bandes Sachsen-Anhalt ist der Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Prof. Dr. Stephan Freund). Die Bewältigung der Gesamtaufgabe erfolgt im universitätsübergreifenden Forschungsverbund der Universitäten Magdeburg und Halle, wo durch den Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit (Prof. Dr. Tobias Gärtner), die Bearbeitung der archäologischen Abschnitte der Ortsartikel vorgenommen wird. Ergänzend und zugleich qualitätssichernd befinden wir uns zudem in permanenter Kooperation mit zahlreichen renommierten Partnern innerhalb und außerhalb Sachsen-Anhalts.
Hier finden Sie die Pressemitteilung der Otto-von-Guericke Universität, in der das Projekt ebenfalls vorgestellt wird.